Was jetzt kommt, ist ein Härtetest für Mensch und Material. In einer einzigen Woche schrubben wir 3.500km runter und durchqueren dabei höchstens 3 nennenswerte Städte. Steppe, nichts als leere Steppe soweit das Auge reicht, Stunde um Stunde, Tag für Tag. Es gibt ungefähr so viel zu sehen, wie auf dem Mond. Und wir brechen einen Langsamkeitsrekord nach dem anderen, denn der Straßenzustand ist un-be-schreiblich! All das bei 40 Grad im Schatten in einem Land, in dem es so gut wie nirgends Schatten gibt.
Als echter Albtraum entpuppt sich vor allem die A27, Hauptverbindung von Atirau nach Aqtöbe. Anfangs niegelnagelneuer Asphalt, aber dann wird die "Straße" dermaßen schlecht, daß sich die Leute hier schon etliche Parallelpisten gezogen haben, auf die auch wir irgendwann einbiegen müssen! Aber vom Regen in die Taufe bzw. entweder Pest oder Cholera. Gut 350 km vor unserem eigentlichen Ziel werfen wir voller Frust irgendwo im Nirgendwo den Anker und halten Kriegsrat. Halten wir (und vor allem das Auto) durch und machen weiter so oder fahren wir den ganzen Mist zurück und die Alternativstrecke, die ca. 600 km länger ist die A27 ... Wir würden es ja vor unserem Auto nie laut sagen, aber hier und jetzt hätten wir lieber einen Tatra!!!
Wir kehren am nächsten Morgen um, sind natürlich sauer wie die Sau! Das waren ein vergeudeter Tag und gut 400 überflüssige Kilometer. Aber: ein Blick unters Auto hinterher bestätigt uns am Ende: es war die richtige Entscheidung!
Aber kaum sind wir wieder auf Asphalt, haben wir ein neues Problem: korrupte Herren mit Blaulicht. 2 Polizeitaems innerhalb von 2 Stunden versuchen, uns Dollar aus der Tasche zu ziehen. Kasachstan macht sich dieser Tage wirklich irre beliebt bei uns. Gezahlt wird natürlich nix, das ist klar, sondern wir lassen sie so lange schmoren, bis sie die Geduld verlieren, uns weiterschicken und abziehen. Begleitet von unseren allerschlechtesten Wünschen!
Aber dann passiert uns doch noch etwas nettes. Eines Tages entdecken wir um die Mittagszeit zwei Mopeds aus der Heimat an einer Bushaltestelle. Das Blechdach spendet ein Minimum an Schatten und darunter hecheln vor sich hin: Stefan (CH) und Felix (D). Sie sind beide zufällig auf derselben Route unterwegs und rocken hier die kasachische Steppe. 500km pro Tag bei diesen Temperaturen! Wir fahren ein paar Tagesetappen zusammne und machen uns dabei ein bißchen nützlich mit gekühlten Getränken, Schatten für die Zelte, Dusche ... Schade, daß sich die Wege bald wieder trennen müssen, wir hatten eine super Zeit und sehen uns dann auf dem Pamir-Highway wieder.
Je weiter wir Richtung Südosten kommen, desto öfter lohnt sich dann doch einmal ein Stop. Obwohl die Quote an Sehenswürdigkeiten pro Planquadrat vermutlich nur in der Mongolei noch niedriger ist als in Kasachstan. Aber was zählt mehr, Häufigkeit oder Einzigartigkeit? Man kann hier gut über 1.000km fahren kann, ohne in eine nennnswerte menschliche Siedlung zu kommen, aber dann steht plötzlich eines der bedeutendsten Heiligtümer für Muslime in der Landschaft - das Jassawi Mausoleum in Turkestan. Jahrhunderte alt, auf wundersame Weise bis in unsere Tage erhalten, einzigartig und UNESCO Welterbe.
Und dann gibt es da noch die zahlreichen Mausoleen. Manchmal einfache und vereinsamte Erinnerungsinseln in der leeren Steppe. Oder aber prachtvolles Zeugnis einer großen Liebe, wie das Aisha Bibi in der Nähe von Taras.
Nun hat sich uns über 3.500km innerhalb von 6 Tagen die Welt im immer gleichen Steppen-Look präsentiert, die Straßen waren im immer gleichen (katastrophalen) Zustand. Was sich in dieser Zeit veränderte, war einzig und allein die Temperatur und zwar nach oben. Doch plötzlich, am 7. Tag, ist LAND IN SICHT! Die schneebedeckten Viertausender des Tien Schan. Der Anblick ist unwiderstehlich, also nix wie rauf in die frische, kühle Natur mit Kuh- und Pferdeherden. Endlich wieder durchatmen!
Wir stehen an einem kleinen Bach auf einer saftigen Wiese. Am Abend schauen die Ranger des benachbarten Nationalparks vorbei auf ein Bierchen. Bringen uns Berghonig mit (deutlich zu erkennen an der obenauf schwimmenden Biene) und "Joghurtkugeln". Sie sind ganz typisch für die Region stellen wir später noch fest, aber hier machen wir zum ersten Mal damit Bekanntschaft. Etwas gewöhnungsbedürftig für unseren Gaumen, sie schmecken so ungefährt wie ein Bauernhof riecht, aber wir hatten schon lange keine Gelegenheit mehr, Milchprodukte zu erstehen, also bringt uns das willkommene Abwechselung auf den Tisch.
Vorräte (und ein paar Ersatzteile für die Haustechnik) können wir erst wieder in Almaty bunkern, wo wir als erstes Obi und Metro entern. Dann durch die Stadt schlendern, im Restaurant essen, Stadtleben genießen, wir hatten schon fast vergessen, was das ist!
Je weiter wir nun kommen, desto vielfältiger wird die Landschaft. Kasachstan ist doch nicht nur Steppenland. Zumindest im Südosten: Canyons, Seen und die Berge des Tien Shan.
Als wir am östlichsten Punkt unserer Tour ankommen, im hintersten Eck Kasachstans, fast in China quasi, passiert uns leider ein Mißgeschick: Gewindeabriss Spannrolle Lichtmaschine. Da stehen wir nun und guter Rat ist teuer. Der Bordmechaniker schaltet notgedrungen in den Knoffhoff-Modus: planflexen, Kernloch bohren, M10 Gewinde schneiden, montieren, paßt. Es kann weiter gehen!
... denn die Berge werden nun ab sofort unser bestimmendes Landschaftsbild. Wir sind durch durch Kasachstan, einem Land aus viel mehr Landschaft, als wir vermutet hatten. Wir verabschieden uns, sagen Rahmet und Dankeschön für die Gastfreundschaft! Es waren anstrengende Tage hier, die uns aber definitiv in guter Erinnerung bleiben werden. Wir ziehen weiter ins Hochgebirgsland Kirgistan.