Am 77. Tag unserer Reise und mit nunmehr 66.000 km auf dem Tacho sind wir von Georgien aus nach Armenien weiter - bei Peter #64 und bei mir #38 auf der Liste der bereisten Länder. Reiseerfahren sind demnach schon etwas, positive Einstellung haben wir auch, uns ist so einiges über Armeniens Geschichte bekannt und trotzdem: dieses Land und seine Bewohner haben sich uns schwer erschlossen, wir sind nicht so richtig warm geworden.
Schön sind die Bergwelten. Wir sind hoch auf den Aragats gerollt und hatten traumhafte Aussichten über Jerewan (bei Nacht!) bis hin zum Ararat in der Türkei. Wir waren am beeindruckend großen, klaren Sevan-See auf 2000m Höhe und hatten dort spektakuläre Wetterkapriolen aus Temperatursturz, Sturm, Hagel, Wetterleuchten im Sekundentakt. Vom Auto aus kann man so ein Schauspiel genießen, im Zelt sähe es freilich anders aus. Unzählige schöne, sehr alte und liebevoll hergerichtete Kirchen und Klöster haben wir auf unseren Wegen angeschaut, alte Karawansereien bewundert. Jeder Übernachtungsplatz war gut und sicher. Aber...
Die Menschen wirkten verschlossen, wenn auch freundlich. Lag es an der Verständigung? Hier wird fast nichts anderes als Russisch gesprochen. Oder war es die typisch kaukasische Grimmigkeit? Wir wissen es nicht. Und über die armenische Küche wissen wir auch nichts, da es auf dem Land schlicht keine Lokale (mehr) gibt, die noch in Betrieb oder geöffnet sind. Im Reiseführer gepriesene Urlaubs- und Kurorte existieren de facto nicht mehr - verriegelt, verrammelt, vergammelt. Dörfer sind geprägt von Armut (Wirtschaftskrise), Zerstörung (Erdbeben) und Verwahrlosung (post-sozialistischer Stillstand). Dort leben Leute in seltsamen Behausungen: alten Wagons oder tonnenrunden Tanks mit Fenster, Tür und Stromanschluß. Jerewan ist freilich anders, das genaue Gegenteil, da herrscht fast europäisches Großstadtleben. Daß dort auffällig viele hochpreisige Fahrzeuge mit jugendlichen Fahrern die Straßen bevölkern, wirkt seltsam vor dem Hintergrund der Zustände im übrigen Land. Aber die Stadt ist interessant, keine Frage.
Qualifizierter Straßenbau täte jedenfalls generell Not. Die Einheimischen jagen schonungslos Lada und Wolga aus dem letzten Jahrhundert über die Pisten. Alle paar Kilometer eine „Vulkanisazia“, in regelmäßigen Abständen eine Betonrampe für nötige Reparaturstops. Die M14 um den Sevan-See herum (M ist die Bezeichnung für die großen Verbindungsstraßen im Land!) war in so unsäglich katastrophalem Zustand …! Entweder Loch an Loch mit Schlammschlacht oder fiese, nahezu unsichtbare Wellen in der Asphaltdecke und das über 20 bis 30 km hinweg! Eine Übung in Demut, so lange Zeit im Schritttempo voran zu schnarchen. Aber bei unseren Federwegen ist sowas der ultimative Speedbreaker. Erwischt uns eine Bodenwelle und kommt die nächste während des Einfederns, wird das gesamte Fahrzeug zum Springschwein, mit absolut negativem Spaßfaktor.
Zum Schluß noch zwei Dinge mit ebenfalls begrenztem Spaßanteil. Zum Einen der Grenzübertritt mit zwei Fahrzeugen. Für Armenien braucht es stapelweise Formularkram, bei allen bisherigen Grenzübertritten reichte das Vorlegen von Pässen und Fahrzeugpapieren völlig aus. Alle Formulare sind ausnahmslos auf Armenisch. Man ist gezwungen, für die Abfertigung den sogenannten Customs Broker Service in Anspruch zu nehmen. Die komplette Zeit (gut 1 1/2 Stunden) in den für uns zuständigen Zollbüros (5 Stück) steht ein „obskurer Mensch“ in zivil in der Nähe und fragt einen hin und wieder verhörartig aus. Insgesamt (für Ein- und Ausreise) wurden uns 140 USD abgeknöpft (wer länger als zwei Wochen bleiben möchte, zahlt ordentlich mehr) und auf die Frage „Wofür?“ hieß es nur: „Alles legal! Zollgebühr, Zoll-Broker-Gebühr, Umweltabgabe, Straßenbenutzungsgebühr …“ Hallo?! Wie wäre es mit Straßenbenutzungsentschädigung???
Zum Zweiten: kurz vor Jerewan hat uns die Polizei unter fadenscheinigsten Gründen „rupfen wollen“, die Herren hielten uns wohl für eine prima-Nebeneinnahme. So etwas (Korruption) steht keinem Land gut zu Gesicht.
Am Ende, d.h. nach 7 Tagen sind es in dem kleinen Land Armenien immerhin doch 800 km geworden, die wir abgespult haben. Und nun ist Zeit weiter zu ziehen >>> GEORGIEN