Ende Mai hatten wir die Türkei Richtung Georgien verlassen, nachdem wir gut 6 Wochen kreuz und quer im Land unterwegs waren. In den ersten Wochen nahezu unbehelligt, doch je weiter östlich es ging, desto öfter gab es Stops und Kontrollen und zunehmende Militär- und Polizeipräsenz. Manche Nacht klopfte die Jandarma uns wach zwecks Passkontrolle und Diskussion, ob der aktuelle Stellplatz nun sicher genug sei oder nicht. Wir hörten während dieser Zeit die Berichte über 3 schwere Anschläge - entfernt von unserem jeweiligen Aufenthaltsort, aber unbesorgt reist man beim besten Willem nicht weiter nach solchen Meldungen.
Dennoch, wie lautete unser Fazit am Ende? „… unter all den Ländern, die wir mit LKW bisher bereist haben, ist die Türkei nun unser Favorit“. Die Menschen hatten uns überzeugt, ihnen waren wir im Lande ausnahmslos willkommen. Fortbewegung und Versorgung waren ein Leichtes, gute Infrastruktur, angenehmes Preisniveau. Und jetzt? Werden wir den Spruch immer noch unterschreiben, wenn wir die Türkei nun auf der Nordroute Richtung Heimat wieder durchqueren, nach den jüngsten Vorkommnissen mit Toten, Verhafteten, Verdächtigten?
Wir rollen von Batumi aus zum Grenzübergang. Kurze Schlange, es geht zügig voran. Nur für uns nicht, wir werden „aussortiert“, müssen beiseite, haben zu warten. Es wird heftig diskutiert, telefoniert, die Pässe wandern von Hand zu Hand … Angeblich ein Problem mit der Eintragung des Mopeds bei unserer ersten Einreise, der türkische Zoll kann keine erneute Registrierung vornehmen. Wir werden um Geduld und ins Chef-Büro gebeten - na Klasse! Aber dort gibt es Tee und Smalltalk und nach knapp 2 Stunden paßt dann alles, der Laster muß noch rasch durch’s Röntgen, dann können wir „rein“.
Während der ersten Kilometer entlang der Schwarzmeerküste beäugen wir die „Lage vor Ort“ sehr genau. Das Leben muß sich doch verändert haben, was ist anders? Gar nichts, es herrscht die übliche gelassene Betriebsamkeit. Urlauber bevölkern die Strände, der Erntebetrieb in den Hügeln läuft auf Hochtouren. Haselnüsse, Tee, später Pfirsiche und Strauchtomaten. Hier im Norden gab es früher kaum Checkpoints, daran hat sich offenbar nichts geändert. Wir verlassen die Küste und biegen ab in die Kühle der Berge. Die Landschaft ist der pure Genuß für’s Auge. Zwar läßt auch hier die Sommerhitze den Asphalt schmelzen, aber wir finden schöne Plätze, an denen sich die Schlaftemperatur im Auto unter 30 Grad bewegt. Sightseeing zu Fuß sparen wir uns meist, außer in Amarsya. Die Stadt ist eine nahezu unbekannte Schönheit und in traumhafter Bergkulisse platziert, das lohnt die schweißtreibende Mühe.
Dann endlich werfen wir am Stadtstrand von Iznik den Anker. Ein geräumiger Baum spendet Schatten und bis zum Wasser sind es nur 10m über Wiese. Kleiner Sommerurlaub ist angesagt. Aber nicht nur deshalb tragen wir ein breites Grinsen im Gesicht: hier in der Gegend waren wir während der Hinreise schon und nun sind wir zum ersten Mal ein Stück auf unserer „alten Spur“ in die Gegenrichtung gefahren, haben gleich „Weißt Du noch?“-Geschichten ausgekramt …… „hier gab es die ersten Maulbeeren“ … „und Gemaule, weil es statt Badewetter Regen und Sturm gab“ …
Diesmal gibt es türkische Urlauber. Sie reisen im Familienverbund und kommen weniger zum Baden denn zum Essen an den See. Morgendliche Stille? Fehlanzeige, so früh kann man gar nicht aufstehen, daß man nicht schon nach wenigen Minuten von ein oder zwei Großclans eingemeindet wird. Und dann wird man ganz selbstverständlich auch kulinarisch mitverwöhnt. Kebab, Salat, Brot … erst gegen Sonnenuntergang steigen die Leute wieder in ihre Autos und man bleibt überwältigt und leicht benommen vom Nebel der Grillroste zurück. Mit einer Unmenge Müll leider. Zwar sind die Herren vom Ordnungsamt Iznik auf Zack, sie gehen (sogar sonntags) persönlich herum, heißen ihre Landsleute als Gäste der Stadt willkommen, schenken jedem eine große Mülltüte… Funktioniert halt nur so halbwegs.
Wir dagegen hinterlassen bei unserer Abfahrt keinerlei Spuren, wie immer. Via Dardanellen setzten wir nach Europa über und verabschieden uns Stück für Stück von Land und Leuten. Und sie sich von uns, herzlich und mit vollen Händen:
- Am Marmarameer suchen wir lange nach einem Übernachtungsplatz, landen in einem winzigen Dorf. Wir stehen noch nicht richtig, da kommen die ersten Männer zur Begrüßung. Wir sollen uns wohlfühlen, sie zeigen uns ihren Brunnen mit frischem Trinkwasser und schenken uns Paprika und Feldtomaten. Einfach so!
- Während wir bei Gallipoli kurz parken, hält ein Laster neben uns. Feldfrische Tomaten wie Schüttgut auf der Ladefläche. Der Fahrer steigt aus, winkt uns zu und lädt mal eben um: Tomaten für uns, so viele wir wollen. Einfach so!
- Ein Ehepaar neben uns auf einem Parkplatz, sie schauen interessiert unser Häuschen an. „Güzel! Safari?“ Und dann kommen sie noch einmal um die Ecke, die Arme voller Pfirsiche. Einfach so!
Den Türken macht in Sachen Gastlichkeit und Großzügigkeit so schnell niemand den Rang streitig. Zurück zur Anfangsfrage: würden wir unser Statement noch unterschreiben? Ja, ganz eindeutig, ja. Aus der Sicht des Reisenden, des Besuchers, ja! Als Reiseland trägt dieses Land für uns 5 Sterne!
Die Sorgen der Einheimischen, die sich durch die Entwicklungen im Lande um ihre Zukunft betrogen fühlen, treiben aber auch uns um. Unsere Sympathie ist ganz bei ihnen.
Die Stationen unserer Rückreise noch in aller Kürze:
- Strand in Griechenland
- Serbische Nationalparks entlang der Donau
- Besuch in Novi Sad (Serbien)
- Abschlußverwöhnurlaub bei Freunden in Österreich incl. Erzberg-Rodeo
Die Reise ist zu Ende. Was uns bleibt sind Erfahrungen, Erinnerungen und neue Freundschaften. Wir sind gesund und unfallfrei geblieben und dankbar dafür!