Diesmal durfte unser Laster (noch) nicht dabei sein. Dafür: Direktflug München - Windhoek und Umstieg in einen gemieteten Nissan Patrol 4x4 Camper.
Unser Ziel ist die nördliche Hälfte von Namibia. Wir wollen den Etosha-Nationalpark besuchen, in den Norden zu den Ruacana- und Epupa-Fällen an der angolanischen Grenze, das Kaokoveld - wenn irgend möglich - über den berüchtigten Van Zyl’s-Paß erreichen, bis ganz im Nordwesten ins Marienflußtal gelangen, dann weiter südlich an den Atlantik bis Swakopmund und wieder zurück nach Windhoek.
Ende Mai 2011 machen wir uns mit dem Flieger auf nach Namibia. Man überrascht uns am Check-in-Schalter mit der nüchternen Frage, in welchem Gepäckstück sich denn unsere Schusswaffen befänden. Äh klar, nein, also wir reisen eher unbewaffnet, schießen ausschließlich mit der Kamera! Der Trupp „Großwildjäger“ in Khaki und Knobelbechern hinter uns in der Schlange ist da aber sicher etwas aufwendiger in der Abwicklung - wir sehen die Jungs nach der Landung in Windhoek am Schalter mit der Überschrift „Waffenausgabe“ wieder Schlange stehen.
Von zuhause aus haben wir für die bevorstehende Tour einen Camper bei einem Vermieter vor Ort reserviert. Wir werden direkt am Flughafen vom Autoverleih eingesammelt und der Fahrer gibt uns während des Transfers schon einmal Unterricht in namibianischen Verkehrsregeln: nicht zu schnell fahren wegen der Schlaglöcher, nicht nachts fahren wegen der Springböcke, immer korrekt anhalten an den Checkpoints der Polizei und: immer schön links bleiben! Man bringt uns in eine Fahrzeughalle voll verschiedenster Allradfahrzeuge und dort nehmen wir unser Zuhause für die nächsten drei Wochen dann in Empfang. Diesel- und Wassertank sind randvoll, wir haben zwei Ersatzreifen und einen Spaten an Bord. Gescheites Bordwerkzeug finden wir bei Bedarf im eigenen Reisegepäck - und das bei nur 2 x 20kg Freigepäck! Aber Werkzeug geht diesmal vor Unterwäsche ;o)
Wir starten und halten gleich auf den nächstgelegenen Supermarkt zu (alle Konzentration auf Linksverkehr!). Ungefähr eine Stunde lang kaufen wir ein: Zucker, Espresso, Thüringer Pflaumenmus (!), Bier, Olivenöl, Spaghetti, Reis, Brot, Milch, Wein, Dosen- und Tütensuppen, Saft und Wasser … Das Auto verfügt über eine sehr geräumige Kühlbox und wir tun uns überhaupt nicht schwer, sie bis zum Rand mit Wildfleisch-Vorrat zu füllen. Jetzt kann’s endlich losgehen!
Gute Schotterstrassen mit ersten Flußdurchfahrten führen zu einem abgelegenen Farmhaus. Der dazugehörige Campground - unser erstes Übernachtungsziel - kommt dann ein paar Kilometer später in Sicht (die Farmen hier sind zwischen 50 und 300qkm groß). Ein Campground besteht gewöhnlich aus Feuerstelle, fließend Kaltwasser und Plumpsklo, ist stets ausgesprochen geräumig und immer wunderschön gelegen. Hier sind wir die einzigen Gäste. Nachts ziehen lautstark Herden vorbei, aber leider ist es zu dunkel, um die Tiere zu erkennen. In der Früh ist es eisekalt draußen und im Auto leider auch. Also als erstes raus und Feuer machen. Wir ziehen dann weiter grobe Richtung Etosha. Die Asphaltstraße führt Stunde um Stunde an Farmland vorbei. Auf einem Zeltplatz kurz vorm Einfahrtstor in den Nationalpark machen wir Station und Punkt 9 Uhr am nächsten Morgen stehen wir dann vor dem Andersongate. Registrierung, Bezahlung und dann hinein auf Schotterstraße ins große Bilderbuch Afrika. Giraffen schlendern am Wegesrand entlang, wir sehen etwas entfernt zwei Löwenpärchen, hunderte Zebras galoppieren durch’s Bild. Es gibt hässliche Gnus, majestätische Oryx und flitzende Strauße. Eine Hyäne läuft mal über einen Kilometer neben unserem Wagen her. Die Tiere lassen sich durch uns nicht stören. Nur einmal, als wir eine kleine Elefantenherde passieren, macht uns ihr Chef - ein stattlicher Bulle mit schlackernden Ohren - recht eindrücklich klar, daß es sein Weg ist, auf dem wir uns befinden. Aussteigen ist natürlich tunlichst zu unterlassen. Muß man doch raus, dann nur in speziell ausgewiesenen, eingezäunten Bereichen. Man kann sich das vorstellen wie im Zoo, nur eben umgekehrt: Mensch drin, Tier draußen. In einem dieser „Käfige“ verbringen wir die Mittagszeit, sitzen bei Spaghetti vorm Auto im Schatten und genießen die afrikanische Mittagsstille. Es gibt nur wenig „Verkehr“, mal kommt ein Wagen, mal fährt einer … Einer der Fahrer war jedenfalls eine "Pappnase", denn als wir den „Käfig“ wieder verlassen wollen, müssen wir feststellen, daß das Tor weit offen steht. Ja, Herrschaftszeiten! Wie hoch ist in solchen Fällen da wohl die Wahrscheinlichkeit, beim Essen selbst zum Essen zu werden?!
Wir durchkreuzen den Park ein paar Tage hintereinander - von Ost nach West hat er immerhin eine Ausdehnung von gut 200 km - mit mal mehr mal weniger guter Bilanz hinsichtlich der Tiersichtungen. Die ungewöhnlich starken Regenfälle der letzten Zeit haben der Natur gut getan und den Tieren reichlich Gelegenheiten zum Wassertanken eingerichtet, sie müssen sich derzeit nicht zwingend an den seltenen Wasserstellen einfinden. Wenn man also einem anderen Fahrzeug begegnet, so ist es üblich anzuhalten und sich kurz auszutauschen, wo man welche Tiere zuletzt gut beobachten konnte, welche Strecke sich heute besonders zu befahren lohnt. Mitten im Park gibt es ein altes deutsche Fort zu besichtigen, an dem eine Gedenktafel über Heldentaten unserer Vorfahren berichtet.
Wir übernachten außerhalb des Parks in einem angrenzenden privaten Game Reserve. Dort kann man sich in einer der feinen Lodges oder in einem Baumhaus einmieten, aber uns reicht natürlich ein Stellplatz auf dem dazugehörigen Campsite (sicher dennoch weit und breit der luxuriöseste: wir haben ein eigenes Waschhäuschen mit voll ausgestattetem Bad incl. Handtüchern!). Abends am Feuer leistet uns ein Pärchen aus Tirol auf ein Bier Gesellschaft. Des nachts wandern Kudus über den Platz und im Etosha NP brüllen die Löwen, daß sich einem unwillkürlich die Haare aufstellen! Dieses Geräusch zu hören, ist ein ganz einzigartiges Erlebnis, das man wirklich am eigenen Leib erfahren haben muss.
Wenn man mal Pause braucht, kann man es sich auf der Lodgeterrasse gemütlich machen mit direktem Blick auf ein Wasserloch im Park drüben. Wir nutzen das gerne, gönnen uns zur Abwechslung auch einmal ein feines, sehr stilvolles Abendessen in der Lodge und buchen zudem eine Nachtsafari. Keines der großen Tier begegnet uns leider, aber wir sehen zumindest einmal ein Bushbaby im Baum :o)
Es zieht uns weiter. Wir passieren den sogenannten Veterinärzaum: Checkpoint und Trennlinie zwischen dem von Weißen besiedelten Namibia und dem schwarzen Ovamboland. Es geht anfangs durch dicht besiedeltes Gebiet und statt Häusern prägen nun auch Wellblechhütten das Bild der Ortschaften. Man kennt das aus Fernsehberichten und bekommt das Bild vor Ort dann doch nicht damit überein. Eine uns unbekannte Welt tut sich auf. Wir stoppen an einem Supermarkt und während der eine etwas Warmes für die Nacht zum Anziehen sucht (tiefste gemessene Temperatur im Auto am Morgen liegt bei 6 Grad - und das ohne Schlafsack und nur mit dünner Decke), wartet die andere auf dem Parkplatz und fühlt sich sehr fremd als einzige Weiße unter Schwarzen. Doch dann kommt ein Mädchen vorbei und probiert sein Schulenglisch aus, dann ein zweites und am Ende gibt es viel Gekicher und Spaß rund um das Auto. Auf dem Weg nach Ruacana überholen wir einen VW-Bulli mit Erdinger Kennzeichen: es sind Andi und Veronika aus Finsing, die für gut ein Jahr Afrika auf der Ostroute durchreist haben. Wir steuern zusammen die Ruacanafälle an und übernachten auf einem Campground namens Hippopool. Sehr gepflegter Platz, gut besucht, aber Crocopool wäre als Titel treffender gewesen. Denn Hippos sichten wir nicht, dafür aber am Morgen reichlich Krokodilspuren im Sand rund ums Auto und unseren Grill.
Da die Straße entlang des Kunene noch immer wegen der Überflutungen der gerade zu Ende gegangenen Regenzeit unpassierbar ist, geht’s am nächsten Tag ins Landesinnere zurück. Die Gegend wird zunehmend einsamer, man fährt Stunde um Stunde durch unbewohntes Gebiet und begegnet absolut niemandem auf der Straße. Zwischen irgendwo und nirgendwo steht plötzlich ein einheimischer Pick-up am Straßenrand. Lagerschaden. Wir nehmen den dankbaren Fahrer mitsamt seiner Antriebsachse zur nächsten Werkstatt mit. Seine Frau und ihr Baby müssen am Auto bleiben, so ist das hier eben, aber wir können sie zumindest mit ausreichend Wasser versorgen. In Opuwo haben wir Gelegenheit, noch einmal unsere 2 x 80l Dieseltanks zu füllen, um uns dann über 190km Piste mühsam bis zu den Epupa-Fällen durchzuarbeiten. Das Landschaftsbild verändert sich und der Anblick des Kunene mit seiner üppigen Vegetation entschädigt am Ende für die Mühen. Wir steuern das Omarunga Lodge-Camp an. Die Stellplätze sind ein Traum, liegen direkt am Fluß. Aber es locken auch gemütliche Safarizelte mit Dusche, WC und richtigem Bett. Die Küche hat allerhand Leckeres zu bieten und wir erhandeln uns günstige 3 Zeltnächte, um mal so richtig durchzuschnaufen. Im Nachhinein erweist sich das als goldrichtig. Denn weder können wir vorerst weiterfahren, noch im Auto übernachten. Einen Verdacht hatte wir schon länger, ein Blick unters Auto bestätigt ihn: unsere linke Blattfeder ist gebrochen. Piste und Flußdurchquerungen haben ihren Tribut gefordert.
Der Autovermieter verspricht, uns umgehend Ersatzteile und Monteur zu schicken. Aber eins ist klar: wer sich für seinen Fahrzeugschaden ausgerechnet den von Windhoek aus am weitesten entfernten Platz „aussucht“, muß Geduld haben. Die Zeit läßt sich jedoch sehr gut nutzen. Wir erwandern die Wasserfälle, die in diesem Jahr wegen des hohen Wasserstandes ganz besonders sehenswert sind. Der Kunene fließt über ein Dutzend Abbruchkanten in die Tiefe. Dazwischen haben sich auf Felseninseln große Baobabs festgeklammert. Man wird nicht fertig mit schauen, kann sich kaum sattsehen! Wir durchstreifen Ansiedlungen in der Nähe und das Flussufer, wobei es natürlich immer heißt: Augen auf wegen der Krokodile. Der Lodge-Chef erzählte uns, daß sein gesamtes Areal nach kompletter Überflutung bis vor Kurzem noch unbenutzbar war. Die Krokodile hatten die Gelegenheit genutzt und es sich zwischen seinen Hütten und Gerätschaften gut gehen lassen. Er hat mehrere von gut 8m Länge dort entdeckt. Uns begegnet gottseidank lediglich ein mittlerer Wasserwaran.
Ein pfiffiger Bursche bietet sich uns als Guide für den Besuch eines Himba-„Dorfes“ an. Unser Interesse ist natürlich groß, wir erkundigen uns hinsichtlich der Gepflogenheit und ziehen dann gemeinsam mit ihm los zum Himba-Kral. Zuerst noch Gastgeschenke einkaufen: 10kg Maismehl, Schnupftabak, Bonbons, Zucker und Öl. Der Bursche geht vor, redet mit dem Kralchef und kommt wieder vor die „Türe“. Nach knapp 10 Minuten erscheint eine Frau mit Kind und wir dürfen das Dorf betreten. Die Gastgeschenke werden an die Hüttenwand gestellt und wir bestaunen das Leben der Leute. In dem stark umzäunten Kral leben wohl so um die 15 Menschen, diverse Ziegen und bestimmt 40 Rinder. Es ist gerade Melkzeit. Anfangs sind beide Seiten ein wenig schüchtern, doch dann lockert sich die Stimmung auf. Jedes Foto wird immer gleich von allen auf dem Monitor begutachtet, führt zu großem Hallo und Gelächter und sofort wird wieder Aufstellung genommen, diesmal von der anderen Seite oder gerne auch von hinten, was sie besonders spaßig finden. Wir versuchen uns ein wenig zu unterhalten, die Gastgeber sind auch an uns sehr interessiert und fragen, fragen, fragen, … Nach gut zwei Stunden verlassen wir den Kral wieder und sind dankbar für dieses sehr beeindruckende Erlebnis.
Zurück in der Lodge stellen wir fest, das wir noch immer die einzigen Gäste sind und auch unser Monteur weit und breit noch nicht in Sicht kommt. Aber am nächsten Morgen steht er plötzlich an der Rezeption. Er ist die gut 1.000km von Windhoek am Stück gefahren, nachts angekommen und jetzt macht er sich auch gleich an unserem Wagen zu schaffen. Er ist guter Dinge, glaubt an raschen Vollzug, die alte Feder ist schnell draußen, die neue sollte gleich drin sein. Peter legt selbst mit Hand an und beide genießen anfangs das Basteln. Aber dann fluchen sie abwechselnd, mal der Bure, dann wieder der Bayer. Zwischendurch Entspannungszigarette und wieder ran. Erst nach fast 4 Stunden schweißtreibender Arbeit und unter Einsatz MacGyver-artiger Arbeitsmethoden ist es geschafft. Der Monteur ist erleichtert, aber schwört bei allem, was ihm heilig ist: Toyota, ja, da kann man gut dran rumreparieren. Aber Nissan, nee, da nimmt er definitiv nie wieder einen Auftrag an! Nie wieder!
Endlich sind wir wieder mobil und augenblicklich geht es rauf auf die Piste. Nach langem Hin- und Herüberlegen hatten wir eine Fahrt über den Van Zyl’s-Paß verwerfen müssen. Er habe gewaltig Schaden genommen während der Regenzeit, so die Aussage des Lodge-Chefs. Er selbst hat in dieser Saison noch niemanden getroffen, der ihn absolviert hat. Wir müßten ihn ganz sicher stellenweise erst eigenhändig mit Felssteinen „restaurieren“, bevor wir ihn überhaupt einigermaßen befahren könnten. Und wenn wir es tatsächlich wagen wollen, dann wäre es mehr als ratsam, in einer Fahrgemeinschaft mit mindestens einem anderen Fahrzeug loszuziehen. Aber da außer uns absolut niemand hier in der Gegend unterwegs ist … Wir müssen Vernunft walten lassen. Der Paß ist in jedem Fall und Zustand haarsträubend, mehr Treppe als Fahrweg und an einigen Stellen nur von hochachsigen Fahrzeugen zu bewältigen, wie es im Reiseführer heißt. „Die gewöhnlichen Geländewagen müssen mit Vollgas hochgehetzt werden, wobei erstaunlich schnell Federn … brechen.“ Ok, diesen Belastungstest würde auch unser Autovermieter nicht mögen, also Planänderung. Wieder volltanken, einkaufen und Trinkwasser fassen in Opuwo und ab ins Kaokoveld über eine Alternativpiste! Für 1.000km kein sicheres Spritfaß, kein Mobilfunk, keine Werkstatt. Ab jetzt wird im Busch gecampt. Die erste Nacht verbringen wir auf einem kleinen Hochplateau neben einem verwunschenen Canyon. Der Gintonic schmeckt wie immer gut, das Feuer lodert und es duftet nach Gemüse mit Rindsbratwurst, über uns das Sternenhimmelszelt. Nachts fiepsen die „Murmeltiere“ unterm Auto.
Weiter geht’s und jetzt verlangt die Strecke wirklich die volle Aufmerksamkeit, ist aber besser in Schuss als erwartet. Das Landschaftsbild wechselt immer wieder und ist immer wieder bezaubernd. Wir sehen unterwegs Strauße, Erdmännchen und Gazellen. Wir finden alle markanten Wegpunkte unserer selbstgewählten Streckenführung, auch wenn sie regelmäßig anders aussehen, als wir erwarten. Unter einem Ort mit „Flugfeld, Polizeistation und Einkaufsmöglichkeiten“ stellt man sich als Europäer halt doch was anderes vor, als eine kleine Bude mit Windrad daneben. Aber egal, wie einfach die Örtlichkeiten sind: Cola gibt es immer! Wir sind auf einsamen Pfaden unterwegs. Keine Fahrzeuge, keine Menschen. Und doch: wieder irgendwo im Nirgendwo winkt plötzlich ein schwarzer Wandersmann und bittet darum, mitgenommen zu werden. Das ist für uns natürlich selbstverständlich, er bekommt erst einmal eine Flasche Wasser in die Hand und dann bringen wir ihn bis zu seinem Dorf - gerade noch rechtzeitig vor Einbruch der Dunkelheit. Er dankt es uns mit einem strahlenden Lächeln, einem deutschen „Danke“ und herzlichem Winken zum Abschied.
Unsere nächste Etappe ist die anspruchsvollste bislang - wir müssen über den sogenannten „kleinen Van Zyl’s“. Der Name sagt alles und neugierig auf den „großen“ ist zumindest ein Teil der Besatzung hinterher nicht mehr. Überraschenderweise herrscht urplötzlich reger Gegenverkehr. Wir müssen warten und 12 südafrikanische Geländewagen durchlassen, bevor wir den Aufstieg angehen können.
Es folgen 2 Stunden Extremfahrt. Unser Patrol kommt langsam an seine Grenzen. Wir kriechen den Pfad rauf und runter. Immer wenn man meint es ist vorbei, gibt’s noch mal Nachschlag. Nach einer kurzen Nacht fahren wir dann weiter ins Marienflußtal. Es handelt sich dabei nicht um einen echten Fluss, sondern eine 50km lange Sand-Wiese-Ebene zwischen Bergketten. Der Wagen schwimmt teilweise auf dem Sand. Als wir die Stromschnellen des Kunene dann am Ende der Strecke erreichen, sind wir wieder die einzigen weit und breit. Wir stromern durch eine völlig verwaiste Premiumlodge, in der noch Bücher in den Vitrinen stehen und Pool und Kissen auf den Sonnenliegen zum Bleiben einladen. Es gibt einen Campsite, dessen Brunnen aber völlig ausgetrocknet ist und der wohl deshalb ebenfalls verlassen wurde. Wir treten gleich wieder den Rückweg an. Viele, viele Kilometer über Sand, Geröll, Schotter, Reviere bis zu einem wundervollen Stellplatz auf einer Wüstenebene. Die Nacht ist ruhig und wir fühlen uns gut aufgehoben allein unterm Nachthimmel inmitten der Ebene.
Wir fahren weiter Richtung Purros und nähern uns einer Stelle, an der unsere Karte vor „deep powder dust“ warnt. Schonmal gesehen? Wir hatten das bislang noch nicht. Die Stelle kommt dann ein Stück eher als in der Karte vermerkt und schlagartig ist klar, was Sache ist. Wumm! Wir sitzen fest! Der Pulversand selbst ist gar nicht das Thema, denn die Räder drehen frei. Die Karre liegt auf einem festgebackenen Flecken in der Mitte auf. Das heißt: Spaten raus, runter auf den Bauch und unterm Auto den Dreck weghacken. Es ist Mittag, die Sonne im Zenit, kein Schatten. Wir wechseln uns ab und pusten wie die Maikäfer - eine ganze Stunde lang. Am Ende packen wir noch an Zweigen und Gestrüpp unter die Räder, was wir finden können. Etwas mehr Luft aus den Reifen und dann erster Startversuch. Peter gibt Vollgas. Ich stehe abseits, halte die Daumen, schlucke dann vor lauter Begeisterung einen Teil seiner Staubfontäne und sprinte ihm unendlich erleichtert auf seinem Schlingerkurs durch das Sandfeld hinterher. Es ist geglückt! Wir landen in Purros, können Pause machen, die Reifen wieder aufpumpen und haben ein paar Kilometer weiter schon wieder den Nerv, zwei Herero-Frauen plus Baby an Bord zu nehmen. Nach zwei Stunden setzen wir sie an ihrem Zielort ab und folgen dankbar einem Schild zum Camel Top Camp. Es gibt dort eine Dusche und das ist für den Moment unser größtes Glück!
Weiter geht’s ganz ungewohnt auf einer schicken Gravelroad. Nach ca. 100km kommen wir an das Dorf Palmwag und können endlich wieder einmal tanken - 130l passen rein bis voll!
Das Kaokoveld ist sicher eine der schönsten und ursprünglichsten Gegenden im südlichen Afrika. Sehr wenige Menschen, dafür aber Löwen, Leoparden, Elefanten, Giraffen, Strauße usw. in freier Wildbahn. Netz und doppelten Boden gibt es hier nicht. Wasser, Diesel und funktionierende Technik sind (über)lebenswichtig.
Wir queren wieder den Veterinärzaun und weiter führt der Weg nach Twyfelfontein. Noch einmal campen wir in freier Wildbahn mit schönstem Blick auf den Brandberg. Am nächsten Tag fahren wir um den Berg herum in Richtung Atlantikküste. Schon von Weitem sehen wir den Küstennebel über den Horizont wabern. Die Temperaturen sinken merklich. Wir fahren über eine Salzstraße nach Cape Cross. Eine riesige Kolonie von Ohrenrobben läßt sich dort hautnah besichtigen, behören und beriechen (der Gestank ist infernalisch!). Wir sind ganz hingerissen vom Gequietsche der Jungen und dem Gegrunze der Weibchen. Über die Salzstraße kommen wir dann schlußendlich bis Swakopmund und übernachten dort in einem Guesthouse. Stadtleben, gänzlich ungewohnt für uns inzwischen. Wir gehen neugierig in jedes Geschäft. Es ist in properes Städtchen und urdeutsch. Mittags schlürfen wir ganz mondän Austern am Leuchtturm und verfallen dabei auf den Gedanken, einfach mal flux einen Cessna-Rundflug zu machen. Über 2 1/2 h und im 30m-Tiefflug geht es über das Sandmeer der Namib, den Kuiseb-Canyon, die Sanddünen von Sossusvlei, die alten Diamantensuchersiedlungen und Schiffswracks an der Küste. Was für ein Erlebnis! Und die Wüste ist teilweise grün nach der heftigen Regenperiode! Einzigartig!
Wir besorgen uns ein 2-Tage-Permit für den Namib Nationalpark. Der Weg dorthin führt uns an „Martin Luther“ vorbei: einer deutschen Dampflok in der Wüste. Ende des 19. Jahrhunderts ist sie hier gelandet, an den örtlichen Gegebenheiten gescheitert und ab da hieß es nur noch: „Hier stehe ich, ich kann nicht anders“. Daher der Name. Wir befahren den Welwitschia Drive und die Landschaft ist wahrhaftig überwältigend! An der Blutkuppe übernachten wir, wieder einmal ganz allein mit uns. Feuer knistert, der Wein schmeckt, es gibt gegrilltes Oryxsteak. Nachts trägt der Wind leider ab und zu Maschinenlärm aus einer nahen Uranmine herüber. Die Straße führt uns weiter über das Khomashochland auf Windhoek zu. Eine Übernachtung auf einer Gästefarm gibt es noch inkl. Sternegucken, denn es gibt dort ein C6-Teleskop und sehr sachkundige Stammgäste aus Deutschland, die ihr Wissen gerne und in ausgesprochen fesselnder Art weitergeben. Über diverse Pässe geht es weiter. Gut 400km rauf und runter und rauf und runter - schön, aber anstrengend. Ein letztes Mal campen wir „wild“ am Kuisibstausee. Wir amüsieren uns über die Affen am See. Unsere restlichen Lebensmittel schenken wir dem Platzwart, der sich riesig freut. Dann müssen wir unseren Camper schweren Herzens abgeben.
In Windhoek treffen wir noch einen alten Freund und verbringen den Abend im einem feinen Restaurant.
Unser Fazit lautet einhellig: tolle Reise, Namibia ist ab sofort ganz oben auf unserer Länderhitliste. Wir sind mit Bravour durch alle Sonderprüfungen gekommen, alle Reifen blieben heile. Und die Blattfeder, naja, das waren vielleicht gar nicht wir alleine … Wir dankten jedenfalls dem Vermieter für den prima Service und ließen Grüße an den Monteur ausrichten. Ja ja, der Gute, hieß es daraufhin nur, der düste gleich nach seiner Rückkehr wieder los. Er hatte wieder einen Nissan zu bearbeiten mit genau dem gleichen Problem. Ach was! Wollte der nicht eigentlich niemals wieder einen Nissan …?!